Ulrichskirche
 

 
 

Andacht von Dr. Matthias Sens am Reformationstag 2012

Liebe Gemeinde an der Ulrichskirche!

„Selig sind…“. Wissen wir, was das ist – „selig“? Moderne Übersetzungen dieser Bibelworte sagen oft: „Glücklich sind…“ Da kann man sich etwas drunter vorstellen. Aber heute am Reformationstag musste es natürlich die Lutherübersetzung sein. Selig sind. Und geht es da überhaupt darum, glücklich zu sein? Ja, schon, aber nur wenn wir es nicht oberflächlich verstehen. So: Don’t worry, be happy. Obwohl das auch schön sein kann. Aber es wird eben noch schöner, wenn es um Glück in einem sehr tiefen Sinne geht. Also sagen wir es mal so: Wahre Freude werden die erfahren, die mit Gott im reinen sind; denn Gott wird ihnen das Heil ihres Lebens schenken. Oder so: Selig sein heißt, dass auf dem Leben Gottes ganzer und voller Segen ruht. Das ist dann wirklich die wahre Freude. Das kann ganz tiefes Glück sein. Und da kann man dann auch ruhig mit einem fröhlichen „Don’t worry, be happy!“ im Herzen durchs Leben gehen. Gottes ganzer und voller Segen reicht eben tiefer als alles, was einem an Unangenehmen begegnen  kann. Und Gottes Segen, seine Zuwendung, trägt und hält uns eben auch überall da, wo wir mit Gott und der Welt überhaupt nicht im reinen sind, wo es um Schuld und Versagen und Leid geht und um alles, was im Leben wirklich beklagenswert ist.

Das ist die reformatorische Grundhaltung: dass wir uns das Heil unseres Lebens, dass wir uns die wahre Freude von Gott schenken lassen. Auf diesem Fundament kann dann auch alles andere in unserem Leben gebaut werden. Mit dieser Grundhaltung ist dann auch alles das möglich, wozu wir in den Seligpreisungen aufgerufen werden, was wir auf dem Weg zur wahren Freude tun können. Da werden die Sanftmütigen gepriesen und die Gerechtigkeitsfanatiker, Leute, die barmherzig mit den anderen sind, und solche, die Frieden stiften. Da ist überall auch viel Toleranz dabei. Man lässt die anderen gelten. Sie haben genauso wie wir das Recht auf eigene Anschauungen, ihre eigene Kultur, ihren eigenen Glauben, die eigene Religion. Natürlich sind wir von der Wahrheit unseres eigenen Glaubens und unserer eigenen Grundsätze und Werte überzeugt. Aber wir gestehen den anderen zu, dass Sie das für sich auch sind.

Eine kalte Toleranz freilich reicht nicht. Toleranz soll der Ausgangspunkt für Gemeinschaft sein. Es gilt, aufeinander zu zugehen, aufeinander zu hören, miteinander zu reden. Und barmherzig miteinander zu sein. Es soll ja eine Kultur des Friedens wachsen. Das ist vielleicht das Besondere der Seligpreisungen der Bibel, dass sie uns zu einer warmen, freundlichen, auf Gemeinschaft bedachten Toleranz ermutigen.

Die Bibel geht dabei sogar so weit, dass sie zur Toleranz ermutigt, wo sie nicht auf Gegenseitigkeit beruht. Wer selbst Toleranz übt, kann nicht immer auch selbst mit Toleranz rechnen. Das Streben nach Gerechtigkeit kann auch mit Nachteilen verbunden sein. Aber auch da bleibt Toleranz der einzig richtige Weg zu einer Kultur des Friedens. Und gerade dafür wird dann wahre Freude in Aussicht gestellt. Da sind wir dann dem Himmel ein Stück näher.

(Predigt bezieht sich auf Matthäus 5, 3-10)