Ulrichskirche
 

 
 

Leserbriefe in der Magdeburger Volksstimme

Entscheid gegen den Bau ist kein Schutz fürs Grün
Kirche kontra Grünfläche? Immer wieder wird in der Diskussion um den Wiederaufbau der Ulrichskirche das Argument der "letzten grünen Oase" bemüht. Man sollte allerdings bedenken, dass die Frage des vom OB vorgeschlagenen Bürgerentscheides nicht lautet: "Wollen Sie, dass der Ulrichplatz unbebaut bleibt?" Ein Entscheid gegen den Kirchenbau garantiert den Magdeburgern keineswegs, dass der Platz nicht anderweitig vermarktet wird. Warum sollte der Stadtrat dieses Filetstück alle Zeiten ungenutzt lassen? Es findet sich sicher ein Investor, der unserer Innenstadt (ohne vorherigen Bürgerentscheid) noch ein schönes Büro- und Geschäftshaus aus Beton und Glas sponsert, möglichst auf der gesamten Grünfläche. (Doris Wolf, 39122 Magdeburg)

Leben wir hier in Disneyland?
Was haben sich nur einige Leute dabei gedacht, die Ulrichskirche neu zu bauen bzw. zu errichten? Leben wir hier in Disneyland? Es war und ist bedauerlich, dass die alte Pfarrkirche in den 1950er Jahren gesprengt wurde - sie war nur ausgebrannt - hätte also wieder aufgebaut werden können. Aber einigen damaligen Magdeburger Genossen passte die Kirche nicht mehr ins politische Konzept. Doch nun ist das Original seit über 50 Jahren nicht mehr existent und dabei sollte es auch bleiben, denn Magdeburg hat sich in den Jahren städtebaulich neu entwickelt. Da sollten Grünflächen und kleine freie Plätze nicht zugebaut werden - Licht, Luft und Sonne sind ein Gebot der Zeit. Und der Vergleich mit dem Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche hinkt - denn diese Angelegenheit war ein politisches und kulturelles Anliegen von internationaler Tragweite. Das trifft ja für die Ulrichskirche nicht zu. Das gilt auch für die Potsdamer Garnisonkirche usw. Auch heißt es, man wolle den Magdeburgern die Kirche zurückgeben - was aber, wenn die Mehrheit der Magdeburger das gar nicht will? Auch sollte damit Schluss sein, den Stadtrat einseitig zu beeinflussen, indem man nur ihm die Kompetenz der Entscheidung zubilligt. Man kann die vorhandenen Grundmauern der Ulrichkirche freilegen sowie die eventuellen Gewölbe beräumen und ein kleines Museum dort einrichten, natürlich nur in Privatinitiative. Was soll denn werden, wenn beim Bau das Geld ausgeht und eine Bauruine das Gelände ziert - kommt dann der Steuerzahler für den Weiterbau auf oder wird wieder abgerissen? Es wäre wohl sinnvoller für die Stadt, wenn sich die Befürworter für noch vorhandene, aber in Gefahr befindliche, historische Gebäude so vehement einsetzen würden, wie für die Beton-Kopie der Ulrichskirche. Eine Bereicherung und Touristenattraktion ist für Magdeburg durch den Kirchenneubau nicht zu erwarten, sondern Nutzungsprobleme sowie Folgekosten, die der "Verein für den Wiederaufbau" wohl kaum schultern kann. (Günter Adlung, 39108 Magdeburg)
 
Erinnerung ja, Wiederaufbau nein
Ich bringe für die Idee des Wiederaufbaus der Ulrichskirche wenig Verständnis auf, es besteht meines Erachtens auch keine Notwendigkeit. In Zeiten der Wirtschaftskrise, Abwanderung junger Familien und etliche Kirchenaustritte haben wir in Magdeburg bestimmt andere Sorgen. Die Ulrichskirche mit der Dresdner Frauenkirche zu vergleichen, ist meines Erachtens ein bisschen hoch gegriffen. Vielmehr sehe ich die Notwendigkeit, dass sich private Spender an unserem Wahrzeichen der Stadt Magdeburg und Touristenattraktion, dem Magdeburger Dom, mit einbringen. Auch haben wir in Magdeburg genügend erhaltenswerte Kirchen, die dringend einer Sanierung bedürfen bzw. wo Gelder fehlen, um die nötigsten Instandhaltungsmaßnahmen auszuführen. Wie in der Volksstimme am 25. März zu lesen war, benötigt die Hoffnungsgemeinde dringend einen neuen Glockenturm und neue Glocken. In der Kirche von Groß-Ottersleben und in der Ambrosiuskirche in Sudenburg sind wertvolle Fresken an den Wänden, die nur übermalt wurden. Ich könnte noch sehr viele Beispiele anführen, wo es sich lohnt, in vorhandene Kirchen zu investieren. Sehr gut könnte ich mir vorstellen, dass an dem ehemaligen Standort der Ulrichskirche ein kleiner Pavillon entsteht, der die Geschichte der Ulrichskirche dokumentiert. Das würde in das Umfeld passen und sich durch die Stadt Magdeburg auch vermarkten lassen. (Rolf-Dieter Weske, 39128 Magdeburg)
 
Winkelzüge, Bluffs und taktische Manöver
In die Debatte um die Ulrichskirche hat sich nun auch Oberbürgermeister Trümper eingebracht. Mit seinem Vorstoß in diesen Passionstagen sorgt er sichtlich für Belebung der Gedanken um dieses kunsthistorische Juwel im Herzen der Stadt. Schon aus früheren Epochen sind etliche Winkelzüge, Bluffs und taktische Manöver von Stadtoberhäuptern überliefert, auch und gerade von den namhafteren. Solches hat wohl schon zu allen Zeiten zur elementaren Handwerkskunst der Ratsherren gehört. Brillant ausgeführt hatte dies in Summe stets die Aufwertung der Stadt zum Ergebnis, wie immer die einzelnen Schritte dahin von den Zeitgenossen auch beurteilt worden sein mögen. Sonst wäre auch Magdeburg nicht das geworden, was es seit über tausend Jahren war, ist und so Gott will, auch bleiben wird. Bei den Diskussionen zur Ulrichskirche ist derart taktisches Repertoire ganz sicher auch mit im Spiel. Stets auf den guten Ruf sowie die Wertsteigerung seiner Stadt bedacht, erkennt gerade der Oberbürgermeister diese Riesenchance im Weltmaßstab, die sich da sogar innerhalb seiner Amtszeit mit der Ulrichskirche in ihrer Einmaligkeit bietet, am allerbesten. Ein Mann mit seiner Erfahrung kennt allerdings auch die derzeitigen Kräfteverhältnisse und das enorme Risiko, das ein Querschläger im Umgang mit dem Thema und der Stadtgeschichte birgt. In- wie Ausland verfolgen jedenfalls zutiefst erstaunt, wie die Stadt Magdeburg aus einer Zeit kultureller Bedeutungslosigkeit nun wieder kraftvoll hervortritt, alle Vorurteile mangelnder Zivilisiertheit oder verbreiteten Fremdenhasses Lügen strafend. Die Magdeburger beginnen allmählich wieder, aus ihrer reichen Geschichte, ihrer europäischen Bedeutung, dem Gefühl einer "alten Hauptstadt" Kraft zu schöpfen. Dieser Stimmungsaufbau, dieses wieder einziehende Flair der geschichtlichen Metropole lässt das Oberhaupt so manch anderer Landeshauptstadt mit Sicherheit vor Neid erblassen. So oder so, der OB wird diese Möglichkeiten für sich und die Stadt zu nutzen verstehen, auch im sicheren Wissen darum, dass sich andere Nutzungen auf den Sockeln der Ulrichskirche ohnehin verbieten. Denn: Zu wertvoll sind die unter dem Rasen befindlichen Gemäuer, zu kostbar sind die in ihnen ruhenden Sarkophage und zu schützenswert all die dort liegenden Gebeine der Vorfahren! Hinsichtlich der Hebung und Würdigung all dieser Schätze stellt sich daher keinesfalls die Frage des "Ob", höchstens die des "Wann"! (Dr. Hermann Kühnle, Magdeburg)
 
Die meisten haben ganz andere Probleme
Bei aller Diskussion um den Wiederaufbau der Ulrichskirche wurde bisher ein Personenkreis vergessen. Nämlich die Menschen, die um den Ulrichsplatz herum wohnen. Ihre Wohnqualität ändert sich, falls eines Tages ein solch gewaltiger Bau stehen würde. Bevor Entscheidungen gefällt werden, sollte Folgendes geklärt werden: 1. Wer wird einmal der Besitzer dieser Kirche sein? 2. Die Stadt muss mit dem zukünftigen Besitzer vertraglich festlegen, dass er allein die jährlichen Unterhaltungskosten trägt. Vor allem, wenn nach einigen Jahren die ersten Reparaturen anfallen, kann das eine kostspielige Angelegenheit werden. 3. Welche Aufgaben in der Stadt sollte die Ulrichskirche übernehmen? Erst wenn alle diese Fragen geklärt sind, kann der Stadtrat die Entscheidung fällen, ob es zu verantworten ist, in einer Zeit, wo unsere Stadt verschuldet ist, eine solche gewaltige "Nostalgiekirche" bauen zu lassen. Wieweit ein Bürgerentscheid nötig ist, kann ich nicht beurteilen. Ich weiß nur, dass den meisten Magdeburgern andere Probleme unter den Fingernägeln brennen als der Wiederaufbau der Kirche. (Erhard Becker, Magdeburg)