Magdeburg ist die Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts, eine 1200 Jahre alte Stadt mit einem verlorenen Stadtbild. "Das deutsche Rom" wurde sie einst im Mittelalter genannt, die stolze Silhouette mit sieben Doppelturmkirchen war einmalig in Europa. Der erste gotische Kathedralbau auf deutschem Boden war Vorbild für das Bauschaffen des gesamten Landes. Nach der Zerstörung der mittelalterlichen Stadt im Jahre 1631 knüpften die Bürger an die Tradition der Kaiserstadt an und bauten Magdeburg in der Formensprache des Barock wieder auf. Diese Zeit fügte den schönsten Barockboulevard Deutschlands hinzu, den Breiten Weg. Magdeburg erholte sich wieder, knüpfte da an, wo es 1631 aufhören musste. Der Zweite Weltkrieg zerstörte dann erneut ca. 90 Prozent der Altstadtsubstanz, nur die massiv gebauten profanen und sakralen Bauwerke trotzten den amerikanischen Bombenangriffen. Doch auch sie hatten keine Chance: Was das Inferno überlebte, wurde vom neuen kommunistischen Regime gesprengt und abgerissen. Innerhalb der einstigen Altstadtgrenzen zwischen Ulrichstor und Elbe, sowie Krökentor und Sudenburger Tor sind deshalb nur noch vier von sieben Doppelturmkirchen, der mittelalterliche Baukomplex am Wallonerberg, die Lukasklause, zwei barocke Bürgerhäuser am Breiten Weg, der Fürstenwall, die barocke Bebauung des Domplatzes, der alte Elbbahnhof, das Rathaus und die Hauptpost (heute Justizzentrum) erhalten.
Was 1631 noch gelang, baulich an die Tradition der Stadt anzuknüpfen, wurde nach der Enttrümmerung Anfang der 1950er Jahre nicht mehr als zeitgemäß erachtet. Während in Westdeutschland in der Regel der Stadtgrundriß beim Wiederaufbau geachtet wurde, ignorierte man diesen in Magdeburg völlig. Ein neuer Stadtgrundriß mit Aufmarschplätzen und Plattenbauten liess eine Stadt entstehen, die aus heutiger Sicht kein Altstadtflair mehr aufkommen läßt. Zunehmend werden daher die Stadterweiterungsbauten des ausgehenden 19. Jahrhunderts als "neue" Altstadt angesehen. Ein Teil der historistischen und modernistischen Bauten (Bahnhof, Alte Feuerwache, Hotel Grüner Baum, Faber-Hochhaus, Museumsbau, gründerzeitliche Wohnbauten im südlichen Citybereich) ist allerdings - man kann es kaum glauben - ebenfalls in Gefahr, abgerissen zu werden. Geradezu grotesk mutet es daher an, dass ernsthaft über den Abriss der Alten Feuerwache nachgedacht wird. Auch die Zukunft einer der Ikonen des modernen Bauens, des stilprägenden Faber-Hochhauses (heute Magdeburger Volksstimme) ist vage, der Abriss wurde bereits ernsthaft diskutiert. In unmittelbarer Nähe fiel 2009 das letzte Gründerzeitwohnhaus der nördlichen Bahnhofsstraße dem Abriss zum Opfer, wieder ein Stück weniger Magdeburger Altstadt.
Magdeburgs Altstadt verschiebt sich wegen des Fehlens historischer Bauten und Stadtstrukturen bereits seit einigen Jahren nach Süden in Richtung der gründerzeitlichen Stadterweiterungen um den Hasselbachplatz herum. Das intakte urbane Umfeld bietet Räume, in denen sich studentisches und bürgerliches Leben entwickeln kann. Die Kombination von Wohnen und Arbeiten sowie das Vorhandensein sogenannter "weicher" Standortfaktoren wie Einkaufsmöglchkeiten, Cafés und dgl. bewirkte die Herausbildung eines Nebenzentrums. Ein Ausdruck dessen, was wir gemeinhin mit städtischer Lebensqualität verbinden. Die Hegelstrasse ist ein gründerzeitlicher Prachtboulevard, der seinesgleichen sucht. Der Hasselbachplatz ist einer der schönsten Stadtplätze Deutschlands.
Aber auch hier gibt es noch viele Brüche. So wundert man sich, warum eine einstöckige DDR-Kaufhalle an der Otto-von-Guericke-Straße direkt gegenüber des Kulturhistorischen Museums Ende 2009 unter Denkmalschutz gestellt wurde und nun in Zukunft als Supermarkt mit Parkplatz das südliche Stadtzentrum unvorteilhaft prägen soll. Verlangt der Straßenraum hier nicht nach einer 5-6-stöckigen Blockbebauung mit entsprechender Eckgestaltung?
Die Hauptaufgabe, der sich die Altstadtentwicklung in Magdeburg heute stellen muss, ist ein erneutes Anknüpfen an die Tradition und Seele der Stadt zu schaffen, um die Brüche und Gegensätze des Nachkriegsstädtebaus zu reparieren. Hierbei genügt es nicht - wie der Nordabschnitt des Breiten Wegs zeigt - Plattenbauten zu sanieren und bunt anzustreichen. Die Stadträume sollten wieder hergestellt werden, Aufenthaltsqualität für die Menschen muss erstes Ziel sein. Viel neue und auch gute Architektur, etwa am Bahnhofsvorplatz (City-Carré) oder auf dem ehemaligen Zentralen Platz (Ulrichshaus) ist nach der Wende bereits entstanden. Das City-Carré nimmt mit seiner Blockbebauung die Struktur und Straßenräume der gründerzeitlichen Stadterweiterungen wieder auf. Das Ulrichshaus schafft mit seinem breiten, ruhenden Baukörper eine gute Begrenzung des Ulrichplatzes nach Osten. Die Grüne Zitadelle, das letzte nach den Plänen des Architekten Friedensreich Hundertwasser errichtete Haus, lockt Scharen von Touristen nach Magdeburg und hat zu einer erfreulichen Belebung dieses Abschnittes des Breiten Wegs geführt. Der Neubau der Nord LB schafft, wenngleich die blaue Farbe von vielen Magdeburgern kritisiert wird, einen guten städtebaulichen Raum und ermöglicht im Gegensatz zur Vorkriegssituation sogar einen Blick vom Domplatz auf die Sebastianskirche. Viel bleibt jedoch noch zu planen und umzusetzen, bis die Stadt Magdeburg wieder eine Urbanität aufweist, die mit anderen bekannten deutschen Großstädten konkurrieren kann.
Man muß auch einmal einen Schritt zurückgehen können, um zwei Schritte nach vorne zu machen! Dies ist kein rückwärtsgewandtes Denken ewig Gestriger, es ist das nach vorn gewandte zukunftsbezogene Denken einer ganzen neuen Generation!
"Aber woher sollten das die Wähler wissen? Hätten sie es gewusst und anders abgestimmt, wäre Magdeburg jetzt jährlich das Ziel von zigtausenden US-Touristen und 2025 sicher Kulturhauptstadt Europas." Siegfried Kolberg, Magdeburg