Ulrichskirche
 

 
 

Leserbriefe in der Magdeburger Volksstimme

Kommentar: Prof. Dr. Hermann Kühnle hat den vollständigen Leserbrief auch an unser Internetteam geschickt, so dass wir uns erlauben, diesen hier ergänzend abzudrucken: Widerlich schrille Töne zur Ulrichskirche! Es ist in diesen Zeiten schon phantastisch, welch hohes Maß an ungeteilter Aufmerksamkeit mit regem öffentlichen Interesse einer kleinen Gruppe von Initiatoren zur Rekonstruktion eines der geschichtsträchtigsten Bauwerke unserer einst stolzen Metropole zuteil wird. Zahlreiche Menschen befassen sich liebevoll mit dem Projekt, noch mehr Menschen diskutieren begeistert darüber und fast alle haben freudig etwas dazu beizutragen. Für einige jedoch kündigt sich mit der Wiederkehr der schmucken kleinen Ulrichskirche (mit Fläche kleiner als einem Fünftel eines Fußballfelds) die Apokalypse schlechthin an, die völlige Vernichtung des Stadtkerns. Monoton kreisen Dauerattacken um die „verschwindende grüne Lunge“ der Stadt, wie nun dieser Fundamente, Krypta und Friedhof der Ulrichskirche überwachsende Rasen plötzlich beweihräuchert wird. Gar von einem Juwel, quasi der letzten Reliquie, im Besitz der Stadt, die achtlos verschleudert werden soll, ist missionierend die Rede. Dabei muss die allseits bekannte Art und Weise dieses „Besitzübergangs“ an die Stadt jedem rechtschaffenen Magdeburger noch heute die pralle Schamesröte ins Gesicht treiben. Und schließlich, so schnattert es gebetsmühlenartig, störe ein solcher Bau das Stadtbild, ein Bauwerk, dessen Fundamente noch voll erhalten liegen und das für ein volles Jahrtausend für jede Art von Stadtplanung Magdeburgs Orientierung verleihender Fixpunkt gewesen ist, (auch in den fünfziger Jahren, wie sich mit einfachen Betrachtungen unstreitig nachweisen lässt). Heute, ebenso wie zu den Blütezeiten markiert eben der Ulrichplatz wie selbstverständlich den Treffpunkt der Magistralen der Hauptstadt, auch schon ganz ohne sichtbaren Zuganker. Welch metropole Komponente vermag dann erst das Bündeln der losen Enden, das neuerliche Setzen des edlen Schlusssteins „Ulrichskirche“, wiederzubringen! Fürwahr: Nirgendwo gelingt es, jeden zur uneingeschränkten Identifikation mit der Geschichte seiner Heimatstadt zu gewinnen, und sei diese noch so bedeutend. Ein gesunder Rest von Kultur und Anstand könnte wenigstens von allzu schrillen Angriffstönen auf Projekte zur Magdeburger Geschichte und damit auf das Erbe Magdeburgs, abhalten. Verbrecherische Absichten verfolgen die Initiatoren nun wirklich nicht. „Ulbricht sei Dank“, Kirchenzerstörungen hat es in Ostdeutschland auch in anderen bedeutenden Städten gegeben. Weit über sechzig hochprominente Fälle bieten ebenfalls Ansatzpunkte für die originalgetreue Wiedererstellung wenigstens eines der zerstörten Bauten, auch um all der anderen Zerstörungen gebührend zu gedenken. Zugegeben, auch anderenorts wären derartige Projekte keineswegs einfach. Derart anhaltend schrillen Tönen wären die Initiatoren jedochn anderswo mit Sicherheit nicht ausgesetzt.