Ulrichskirche
 

 
 

Leserbriefe in der Magdeburger Volksstimme

Spenden bitte für Kinder, nicht für Mauerwerk
Herr Köppe will den Magdeburgern ihre Ulrichskirche zurückgeben und kommende Generationen damit an die Zerstörung der Stadt erinnern. Kommende Generationen? Die jetzige junge Fun-Generation kann sich heute schon kaum noch an die DDR-Zeit erinnern, geschweige denn an die Zerstörung der Stadt. Magdeburg hat genug Erinnerung an die Zerstörung: die ganze Innenstadt ist Erinnerung, die Stalinbauten, das Alleecenter ja selbst das Ulrichshaus! Ohne Zerstörung würde es das alles so heute nicht geben. Ein Bürgerentscheid, der Steuergeld kosten würde, ist überflüssig, wenn unsere gewählten Stadtväter den Mut zu einem beherzten Nein aufbringen würden. Nein zu 30 Millionen Euro. Auch wenn sie aus Spenden und Mitteln der Parteien und Massenorganisationen der DDR aufgebracht werden sollen. Diese 30 Millionen sollten schon für künftige Generationen verwendet werden: Für Kinderkrippen, Kindergärten und Schulen! Werte Spender, macht diese Betreuungsplätze für junge Familien und Mütter bezahlbar, ermöglicht den Kindern ein kostenloses Essen in der Einrichtung und, und, und. Es gibt da vieles zu tun. Da wären die Spendermillionen sehr viel sinnvoller angebracht: für Kinder, nicht für Mauerwerk! (Eckard Konrad, Magdeburg)

Bürgerentscheid soll Bau doch nur verhindern
Die für einen möglichen Bürgerentscheid vorgeschlagene Fragestellung dient ganz offensichtlich in Wahrheit nur einem Zweck: den Aufbau der Ulrichskirche zu verhindern. Diesem Zweck wird ein demokratisches Mäntelchen umgehängt. Wir haben einen guten Vergleich. 2008 fand in Magdeburg die Oberbürgermeisterwahl statt. Stimmberechtigt waren 199 202 Bürger, die Wahlbeteiligung lag bei 35,1 Prozent. Der gewählte OB konnte 64 Prozent der gültigen 69 131 Stimmen, also 44 244 Stimmen für sich gewinnen. Für einen Erfolg bei der Frage nach einem Ja zur Ulrichskirche müssten die Befürworter mindestens 49 800 Stimmen erreichen (25 Prozent der Stimmberechtigten, 5556 mehr als der OB bekam). Wie wahrscheinlich ist dies wohl? Noch ein Aspekt: Es mutet schon sehr merkwürdig an, wenn die Stadt zum Aufbau der Ulrichskirche „nicht einen Cent“ dazugeben will, zur Verhinderung genau dieses Vorhabens aber zigtausend Euro aus Steuermitteln bereitgestellt werden sollen. Für ein Projekt wohlgemerkt, dass von Bürgern getragen wird, die sich freiwillig und ohne die Inanspruchnahme von Steuergeldern für ein schöneres, lebenswertes und attraktives Magdeburg engagieren! Man könnte die Frage auch umdrehen: Sind Sie dagegen, dass die Ulrichskirche ohne Steuergelder wiederaufgebaut wird? Dann müssten nämlich die Gegner die 49 800 Stimmen zusammen bekommen, was genauso unwahrscheinlich ist. Fazit: Die Stadträte mögen diskutieren und entscheiden; dafür wurden sie gewählt. (Wolfgang Wurm, 39175 Biederitz)

Städtebaulicher Akzent, Mahnmal gegen Ideologie
Einen Wiederaufbau der Ulrichskirche würde ich sehr begrüßen. Zum einen würde die Kirche einen großen positiven städtebaulichen Akzent setzen, der weithin sichtbar wäre. Zum Beispiel würde sich jedem Besucher und jedem Zugreisenden schon vom Hauptbahnhof aus ein prächtiges Bild darbieten. Insbesondere könnte zum anderen die Ulrichskirche als Mahnmal gegen Ideologie, Fanatismus und weltanschauliche Vereinnahmung des Menschen und für Pluralismus, Meinungs-, Gedanken- und Religionsfreiheit dienen. Denn es darf nicht vergessen werden, dass die Kirche nicht wegen Kriegsbeschädigung - diese diente nur als Vorwand -, sondern aus rein ideologisch-weltanschaulichen Gründen (Durchsetzung des Staatsatheismus der DDR als einzig gültigen „Glauben“) gesprengt wurde. Die Kirche könnte daher ein Zeichen dafür werden, dass kein System und kein Mensch das Recht hat, einem anderen eine Weltanschauung - seien es Religionen, sei es Atheismus - aufzuoktroyieren, wie es leider noch an etlichen Stellen in der Welt geschieht. Jeder Mensch muss für sichentscheiden dürfen, an was er glaubt oder nicht glaubt. Vielleicht könnten in der Ulrichskirche u. a. auch eine Dauerausstellung und ein lebendiges Diskussionsforum zum Thema Weltanschauungen, Religionen, Ideologien und Ideologiekritik eingerichtet werden, die dem Besucher weltanschauliches Wissen und den Einblick in die verschiedenen Positionen vermitteln, sowie Gespräche, Vorträge, Lesungen, Podiumsdiskussionen und Diskussionen in diesem Bereich ermöglichen. (Joachim Barone, 39104 Magdeburg)