Ulrichskirche
 

 
 

Reformationsfeier am Bronzemodell

Liebe Mtglieder und Freunde der Ulrichskirche,

die AG Citykirchenarbeit lädt in diesem Jahr wieder zu einer Reformationsfeier am Modell der Ulrichskirche auf dem Ulrichsplatz ein:

Freitag, 31.10. 2014, Beginn 15:17 Uhr

Die Uhrzeit erinnert an den Beginn der Reformation im Jahre 1517.
"Bild und Bibel in der  Reformation" ist das neue Jahresthema der Lutherdekade, dem wir uns in unserer Feier zuwenden. Wir werden uns dazu ein illustriertes Flugblatt anschauen, das ca. 1550 in Magdeburg gedruckt wurde, also in der Hochzeit der "Herrgotts Kanzlei". Mit Bibelworten und Liedern werden wir die Botschaft der Reformation aufnehmen. Wir freuen uns auf Ihr Kommen und eine gemeinsame Feier, die auch in diesem Jahr von unserem Engagement und unserem Willen künden soll, unablässig der Stadt Bestes zu suchen!


 

Andacht  am Reformationstag – 31. Oktober 2014 zum Jahresthema  der Lutherdekade 2015 „Reformation – Bild und Bibel“

Im Oktober 2015 wird der 500. Geburtstag des Malers Lucas Cranach d.J. begangen. Das ist der Anlass dafür, sich 2015 dem Thema Bild und Bibel in der Reformation zu stellen. Heute wird dieses neue Themenjahr eröffnet.
 Man darf bei diesen Thema nicht nur an die großen Kunstwerke denken, die Altarbilder und Gemälde zu biblischen Themen, sondern auch an das, was wir heute vielleicht Kleinkunst nennen würden, Grafiken, Zeichnungen, Illustrationen. Sie wurden damals in großer Zahl zu vielen Themen gemacht und gedruckt, von Cranach und von vielen anderen. Auch Flugblätter gehörten dazu, auf denen mit Wort und Bild Anliegen der Reformation dargestellt und unter das Volk gebracht wurden. Sie trugen in der Anfangszeit der Reformation, also etwa ab 1520, ganz wesentlich dazu bei, dass das Gedankengut der Reformation rasch verbreitet wurde, ja dass die Reformation überhaupt zum Zuge kam. Die Bilder sprachen für sich, und für die des Lesens Kundigen brachten Texte in der deutschen Muttersprache die Sache auf den Punkt. Das war neu und bahnbrechend. So wurde die Reformation auch zum Medienereignis. Dazu gehörte natürlich auch die enorme Anzahl von Büchern und Schriften, allen voran die von Martin Luther, die in vielen Auflagen erschienen, und schließlich die Bibel in deutscher Sprache, erst das Neue Testament und dann nach und nach die ganze Bibel.
Magdeburg wurde vor allem gegen Ende der Reformation zu einem wichtigen Zentrum für den Druck reformatorischer Schriften, als es galt, die Reformation gegen den Kaiser zu verteidigen, der nach dem Sieg über die evangelischen Fürsten und Städte im Schmalkaldischen Krieg ab 1548 die Reformation weitgehend rückgängig zu machen versuchte. Magdeburg war zeitweise der einzige Ort, in dem noch evangelische Schriften gedruckt werden konnten, Magdeburg – unserer Herrgotts Kanzlei. Aus dieser Zeit um 1550 stammt das Flugblatt mit dem auferstandenen Christus in der Mitte, das wir uns heute anschauen. Es hat im Original etwa DIN A 3-Format, da konnte man auch die Schrift einigermaßen lesen.
Die Überschrift ist ein Bibelwort, das der Geschichte von der Verklärung Jesu in Matthäus 17 entnommen ist: Also spricht Gott: Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen hab DEN sollt ihr hören. Die übrigen Texte stammen von Erasmus Alberus, der sich seit 1549 als Exulant in Magdeburg aufhielt, einer der vier Theologen, die den Löwenanteil der Streitschriften verfasst haben, die damals in Magdeburg entstanden. Allein auf Christus sollt ihr hören – das ist das Programm dieses Flugblattes, noch unterstrichen durch die Hervorhebung des kleinen Wörtchens „DEN“.  Also den und keinen anderen. Das ist auch das Programm der Reformation. Darum ging es Luther. Und das ist es, worum es uns auch heute immer wieder gehen muss: auf Christus zu hören, immer wieder zum biblischen Wort zurückzukehren und es aufzunehmen, so gut wir können.

 (2) Bild und Bibel – das passt zusammen. Die vielen anschaulichen und oft auch dramatischen Geschichten der Bibel verlangen geradezu nach einer Darstellung.  Viele von uns haben Bilder in ihrem Kopf, die aus den illustrierten Bibeln der Kinderzeit stammen oder natürlich die großartigen Darstellungen von Künstlern wie Cranach. Dazu kommt, dass die Sprache der Bibel selbst voller Bilder ist. Ja, der Glaube braucht Bilder. Sie verbinden den Glauben mit dem Leben.
Es gibt in der Bibel aber auch die Warnung: Du sollst dir kein Bildnis machen. Sie gehört eigentlich sogar zu den zehn Geboten, und für das Judentum ist dieses Gebot bis heute zentral. Mach dir kein Bild von Gott, weil Gott größer und anders ist, als irgendein Bild es je darstellen könnte. Nicht Bilder sollen angebetet und verehrt werden, sondern Gott allein.
Wie soll man auch Gott darstellen? Bei Jesus ist das klar. Er ist ja der Mensch gewordene Gott. Also kann man Jesus Gottes Sohn als Menschen darstellen. Freilich, schon beim auferstandenen Christus ist das problematisch. Denn er war ja kein wiederbelebter Mensch, sondern er ist in das Leben und in die Ewigkeit Gottes hinein auferweckt worden. Die Bibel spricht deshalb von einem ganz und gar verklärten Leib des Auferstandenen. Aber wie soll man das zeigen? Und dann noch mit einem schwarz-weißen Holzschnitt? Man stattet ihn mit Zeichen aus, die ihn als den auferstandenen Christus ausweisen: die Siegesfahne zum Zeichen dafür, dass der Tod besiegt ist. Die Seitenwunde und die Nägelmale an Händen und Füßen, die zeigen, Jesus ist durch den Tod hindurchgegangen. Auf unserem Bild dann auch noch unterhalb des Kreuzigungshügels das leere Grab mit den eingeschlafenen Wächtern.
Gott der Heilige Geist wird meist in Gestalt einer Taube dargestellt, auch hier. Die Bibel selbst verwendet dieses Bild für den Geist.
Am problematischsten ist es bei Gott dem Vater. Er ist hier als eine aus den Wolken heraus segnende Vatergestalt abgebildet. Das ist eigentlich ein schönes Bild, wenn wir es nur nicht missverstehen als eine Abbildung Gottes. Gott ist kein alter Mann mit Rauschebart. Er ist auch nicht in diesem Sinne „oben in den Wolken“. Aber er ist sehr wohl der die Welt segnende und alles mit Leben erfüllende Vater des Lebens.
Im ganzen wird hier also der dreieinige Gott ins Bild gesetzt, Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist, verbunden durch das Band der Liebe und Einheit. Er soll durch dieses Bild verkündet werden.
Die vielen Namen und Bilder, mit denen in der Bibel von Gott gesprochen wird, sollen ihn mit unserem Leben verbinden, aber auch deutlich machen: Gott ist immer noch wieder größer und anders, als wir denken und es je erfassen können.

(3) Die zentrale Botschaft des Bildes ist: Der auferstandene Christus hat Sünde und Tod besiegt und hat dadurch Heil und Leben für die Menschen gebracht, die Menschen, die in solchen Städten wohnen, wie sie im Hintergrund abgebildet ist, mit Stadttor, Häusern und Kirchturm. Für das Heil dieser Menschen ist Christus am Kreuz gestorben. Die drei Kreuze stehen noch da. Das mittlere ist leer. Die Siegesfahne nimmt das Zeichen des Kreuzes auf und wird zum Symbol des Jubels.
In dem Gedicht von Erasmus Alberus werden die Betrachter des Bildes von Christus selbst angeredet und an die zentrale Botschaft des Glaubens erinnert: Ich Gottes eingeborner Sohn/ Marien Kind herrlich und schön/ Jesus Christus das ist mein Nam/den ich im Himmel überkam/ Den Christen bin ich wohl bekannt/ mein Vater hat mich ausgesandt/ dass ich die Menschen selig mach/ das sieht nit gern der höllisch Drach/ und ficht der Menschen Glauben an, die einhergehn auf rechter Bahn…
Diesen Glauben wieder aufzurichten, nämlich für das eigene Seelenheil ganz und allein auf die Gnade Gottes zu vertrauen und auf das, was  durch Christus in seinem Leben, Sterben und Auferstehen geschehen ist, darum ging es Luther und der Reformation. Deshalb weist in dem Gedicht nun Christus selbst auf Luther hin. Christus beschloss, „zu senden einen Mann auf Erden/ Durch den die Welt bekehrt soll werden/ Martinus Luther ist der Mann/ der hat gesungen wie ein Schwan/ ein süss Gesang im Sachsen land/ dadurch ward ich der Welt bekannt…...

(4) Anders als in dem Gedicht von Erasmus Albers kommt Luther auf dem Bild selbst nicht vor. Das wäre durchaus denkbar gewesen. Es gibt viele Altarbilder aus der Reformationszeit, die Luther und andere Reformatoren abbilden. Manchmal tragen die Jünger beim Abendmahl ihre Gesichter, oder sie vollziehen eine Taufe oder sie stehen auf der Kanzel wie auf dem berühmten Bild in Wittenberg, wo Luther predigt und dabei mit ausgestrecktem Arm auf Christus weist. Darauf verzichtet der Künstler hier und stellt dafür Christus machtvoll und demonstrativ in den Mittelpunkt. Eine Herrschergestalt, einer, der in jedem Falle siegen wird. So beginnt auch der kleine Text über dem Bild: Hie siehst du, lieber Leser mein/ dass Christus selbst will König sein/ und wird’s wohl bleiben ewiglich/ darum sollst du nicht fürchten dich….
Die Christusgestalt schaut den Betrachter des Bildes an und scheint ihn anzureden: Seht, ich bin es. Es ist alles getan, was zu eurem Heil nötig war und ist. Ihr könnt mir ganz vertrauen. Ich, ich allein führe euch zum ewigen Leben. Damit setzt die Gestalt des auferstandenen Christus ins Bild, was die Überschrift als Gottes eigenes Wort verkündet: DEN sollt ihr hören. Christus und keinen anderen.

(5)  1546 starb Martin Luther. 1547 besiegte Kaiser Karl V. die evangelischen Fürsten im Schmalkaldischen Krieg, der mit dem Ziel geführt wurde, die katholische Religion wieder in ganz Deutschland durchzusetzen. Auf dem Reichstag in Augsburg 1548 wurde, weil es zu keiner endgültigen Einigung kam, ein Kompromiss-Dokument erarbeitet, das bis zu einer endgültigen Regelung durch ein von allen anerkanntes Konzil gelten sollte. Dieses „Augsburger Interim“ wurde vom Kaiser zum Religionsgesetz erhoben und galt nun für die evangelischen Gebiete.  Es war ein weitgehend katholisches Dokument, das von der Reformation eigentlich nur die Priesterehe und den Laienkelch übrig ließ, dagegen eindeutig die Unterordnung unter die Bischöfe und den Papst forderte und den katholischen Gottesdienstritus wieder einführte.  Und was besonders schlimm war: Auch die Botschaft von der Rechtfertigung des Sünder allein aus Gnaden, allein durch Christus und allein durch den Glauben wurde verwässert.
Auch in Kursachsen und im Erzstift Magdeburg sollte das Interim eingeführt werden, wenn auch in abgemilderter Form. Die Stadt Magdeburg aber widersetzte sich dem Interim gänzlich. Und hier waren dann ab 1549 einige Theologen am Werk, die mit allen theologischen und publizistischen Mitteln gegen das Interim stritten und für die Bewahrung des evangelischen Glaubens und Gottesdienstes eintraten. In diesem Kontext ist dieses Flugblatt zu sehen. Im Text über dem Bild lesen wir: Gehorch der himmelischen Stimm und frag nichts nach dem Interim…. Und auch in dem Gedicht unten wird kräftig gegen das Interim gewettert. Es wird hier als Werk des Papstes hingestellt, mit dem er versucht seine Macht wieder aufzurichten. Dies wird als Angriff auf Christus selbst gewertet. Der Papst wird zum Antichrist. Im Bild wird das so dargestellt, dass der Papst mit den Erzfeinden des Glaubens in eine Reihe gestellt wird. Die drei Köpfe des Ungeheuers, das der auferstandene Christus besiegt hat, sind hier: der Papst, der Teufel in Engelsgestalt und der Türke. Der Türke hat eigentlich in diesem Zusammenhang nichts zu suchen, aber vielleicht steht er einfach für die politischen Mächte, die den christlichen Glauben bekämpfen und wäre dann auch eine Anspielung auf den Kaiser.
Die Botschaft des Bildes war klar: Es geht um nichts Geringeres als die Herrschaft Christi. Wer meinte, mit dem Interim einen Kompromiss eingehen zu können, stellte sich gegen Christus und sein Heilswerk.

Vieles von dem ist für uns heute kaum noch nachzuvollziehen. Ob wirklich der Glaube an Christus selbst auf dem Spiel stand oder ob es nicht doch vor allem um politische Macht ging, auch auf evangelischer Seite? Sicherlich. Und schon damals dürfte es eindeutig zu weit gegangen und ein Fehlurteil gewesen sein, im Papst den Antichristen zu sehen. Dennoch muss man sagen, dass  der hartnäckige Widerstand Magdeburgs gegen den Kaiser und das Interim und die Kompromisslosigkeit, mit der die Magdeburger Theologen um Nikolaus von Amsdorff den evangelischen Glauben verteidigt haben, wesentlich dazu beigetragen haben, dass die Reformation nicht unterging. Die Theologen der „Cantzley unseres Herrn Jesu Christi“  sahen sich als die eigentlichen Erben Luthers  – wohl mit Recht. In seinem Sinne fochten sie mit Wort und Bild für den Glauben. Daran erinnern wir uns heute dankbar, ohne den gewaltigen historischen Abstand zu verkennen.      

(Matthias Sens)