Ulrichskirche
 

 
 

Jubiläumsansprache von Dr. Tobias Köppe, Vorsitzender des Kuratoriums Ulrichskirche e.V.

Liebe Vereinsmitglieder, liebe Magdeburger und Gäste,

ich freue mich sehr, dass wir hier heute zusammen bei so schönem Wetter am Reformationstag 2012 unseren fünften Vereinsgeburtstag feiern können. Ich habe über 70 Personen gezählt, ein tolle Resonanz! Darum sage ich zunächst einmal: „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!“ Freuen wir uns über das halbe Jahrzehnt und auf alles, was da noch kommen mag. Ich habe meine Jubiläumsansprache in zwei Teile aufgeteilt, zunächst der Rückblick, dann der Ausblick. Beginnen wir mit dem Gründungsjahr:

2007. Es begann alles mit dem Volksstimmeartikel von Herrn Karl-Heinz Kaiser am 5. Juni 2007 über meine Person und Ambition, den „Wiederaufbau anzupacken“. Daraufhin meldeten sich ca. 50 Personen bei mir, die von der Vision angetan waren und sich engagieren wollten. Am 31. Oktober 2007 gründeten wir dann mit 57 Mitgliedern unser Kuratorium Ulrichskirche in der Magdeburger Johanniskirche. Die Volksstimme titulierte: „Kuratorium will Ulrichskirche bis 2017 wieder aufbauen“. Kurz darauf wurde im Magdeburger Zoo das alte Rhesusaffenhaus abgerissen, das komplett aus Ulrichskirchensteinen bestand. Ich weiß noch genau, wie Volkmar Stein und Dennis Hippler die schweren Steinblöcke in die Container wuchteten. Schon Ende des Jahres 2007 waren wir ein Thema im Jahresendinterview des Oberbürgermeisters Dr. Lutz Trümper, der damals mit dem Satz überschrieben war: „Für die Ulrichskirche gibt es von uns keinen Euro“

2008. In diesem Jahr stieg unsere Mitgliederzahl auf 82 an. Wir besuchten alle Stadtratsfraktionen im Magdeburger Rathaus. Die Ulrichskirche war bereits großes Thema bei der Oberbürgermeisterwahl, jeder Kandidat musste sich dazu äußern. Wir nahmen Kontakt mit der Fördergesellschaft Dresdner Frauenkirche auf, die natürlich vorbildhaft für unsere Initiative ist. Beim Stadtfest bildeten wir die Grundrisse der Ulrichskirche mit einer langen Lichterkette nach. Als Höhepunkt des Jahres gaben wir die Ulrichskirchenarmbanduhr heraus, die wie ich sehe, Herr Dr. Sens auch weiterhin vorbildlich am Handgelenk trägt.

2009 waren wir dann bereits 121 Mitglieder. Die große Steinesortieraktion im März ist mir noch in bester Erinnerung, als wir 20 Tonnen Gestein sichteten und sortierten. 2009 stand dann ganz im Zeichen des Werbens für unser Vereinsziel. Wir „rannten“ quasi einen Vortragsmarathon vor einer Vielzahl gesellschaftlicher und politischer Gruppen. Am Ende des Jahres gaben wir den ersten Ulrichskirchenkalender für 2010 heraus, der auch heute noch in einigen Wohnungen hängt, obwohl wir ja bereits 2012 haben.

2010 war sicherlich das schönste Jahr in unserer Vereinsgeschichte. Wir zählten hier bereits 142 Mitglieder. Ich erinnere mich noch gut an die große Infoveranstaltung für die Bürger der Stadt im Rathaus, wo wir sachlich und überzeugend argumentieren konnten und großen Zuspruch bekamen. Wir organisierten auch ein Benefizkonzert im Gesellschaftshaus, bei dem auch ein Werk eines in der Ulrichskirche tätigen Kantors gespielt wurde. Herausragend war dann als Resultat unserer Bemühungen die unterstützende Stadtratsentscheidung am 24. Juni 2010, die uns erlaubte, die Kirche zu bauen, wenn wir die Voraussetzungen dafür schaffen konnten. Gegen diesen Stadtratsbeschluss wandte sich dann ja später das Bürgerbegehren, Wir erarbeiteten uns eine Unterstützungszusage der Ev. Kirche und gaben ein 32-seitiges DKV-Heft heraus. Ich erinnere mich noch genau, wie Uwe Thal und seine Helfer die Grundrissecken mit Gehwegplatten auf dem Ulrichplatz darstellten und jemand besserwisserisch mit roter Farbe Korrekturen daran vornahm. In 2010 fuhren wir auch nach Potsdam und tauschten uns mit dem Vorstand des Fördervereins der Garnisonkirche aus. Ein Höhepunkt war sicherlich die Podiumsdiskussion der Volksstimme am 15.11. in der Johanneskirche. Die nachfolgende Befragung unter 534 Anwesenden ergab auf die Frage „Soll die Ulrichskirche wieder aufgebaut werden?“ 47,9 % Ja-Stimmen und 52,1% Nein-Stimmen, wobei ich hierbei die 18,9% „Weiß nicht“-Stimmen den Nein-Stimmen mit zugerechnet habe. Wir waren also ziemlich gleich auf im Stimmenverhältnis. Am Ende des Jahres 2010 bauten wir die Ulrichskirche als Schneekirche im Grundriss nach und hatten riesigen Spaß dabei. Falk Lepie projizierte mit seinem THW die Doppeltürme der Ulrichskirche mittels Scheinwerfern in den Magdeburger Nachthimmel, im Infocontainer gab es neben Informationen auch Glühwein. Auch 2010 gab es im Dezember wieder einen Kalender für das Folgejahr zu kaufen, unseren Kalender über Magdeburgs gesprengte Kirchen. Die Umfrage der Magdeburger Volksstimme unter 17.000 Menschen ergab Ende 2010 für uns ein hervorragendes Ergebnis: 55,7 % waren für den Wiederaufbau der Ulrichskirche, 44,3% dagegen (darunter 9,2% „Weiß nicht“- Stimmen).

2011 war das turbulente Jahr des Wahlkampfes. Wir erreichten mit 255 Mitgliedern unsere bis dato größte Mitgliederzahl. Ein Infopfad auf dem Ulrichplatz mit Tafeln erstellt von der Werbeagentur Pegasus und Stahlaufstellern von Reiner Riegg zeigte den Bürgern ganz genau, wo die Kirche stand und was wir wollten. Rechtzeitig vor dem Bürgerentscheid gaben wir noch das Buch "Die Magdeburger Ulrichskirche - Geschichte. Gegenwart. Zukunft." heraus. Am 20. März 2011 war es dann soweit, Bürgerentscheid. Die Fragestellung lautete "Sind Sie gegen den Wiederaufbau der Ulrichskirche?“ Also nicht wie bei den Volksstimmeumfragen „Sind Sie für den Wiederaufbau der Ulrichskirche?“, sondern sind Sie dagegen! Die Magdeburger Volksstimme übertitelte diese negative Fragestellung, die wir unserem Gegner Rechtsanwalt Josef Fassl zu verdanken haben, mit der Schlagzeile: „Das Chaos mit dem Kreuz zum Kirchenneubau“. Trotz positiver Meinungsumfragen im Vorfeld war das Ergebnis mit 75% Ja-Stimmen, also „Dagegen-Stimmen“ und 25% Nein-Stimmen, also „Dafür-Stimmen“ überraschend eindeutig. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) schrieb daraufhin am 23. März 2011 einen Bericht über dieses Abstimmungsergebnis, den sie mit  „Unsere Stadt soll hässlich bleiben“ überschrieb. Eine Überschrift, die mich sehr getroffen hat, gab sie doch deutschlandweit von Magdeburg kein gutes Bild an. Nach einer kurzen Erholungspause machten wir dann jedoch gleich weiter mit der Vereinsarbeit. Ein neues Modell der Ulrichskirche im Maßstab 1:50 wurde von Herrn Wilfried von Wechmar aus Hannover-Laatzen gebaut und steht nun in der Wallonerkirche. Es ist das erste exakte Modell, das es von der Ulrichskirche gibt. Es ist komplett nach den vorhandenen originalen Bauzeichnungen erstellt.

2012 sind wir immer noch 230 Mitglieder, was mir zeigt, wie fest der Wunsch nach der Erreichung unseres Vereinszieles in den Köpfen unserer Mitglieder verankert ist. Vereinsmitglieder haben den Ulrichsboten - ein Informationsblatt von Vereinsmitgliedern für Vereinsmitglieder – etabliert. Die Gedenkveranstaltungen am Sprengungstag und Ulrichstag waren gut besucht. Neue Arbeitsgruppen wie die AG Geschichte und Projekte, die AG Citykirchenarbeit und die AG Vereinsleben schaffen nun wichtige Grundlagen für die weitere Vereinsarbeit.

Kommen wir nun zum Ausblick. Das Thema Ulrichskirche ist weiterhin topaktuell und längst nicht durch den Bürgerentscheid im März 2011 beendet. Dies zeigt mir auch eine Email, die ich vor 14 Tagen aus Kalifornien erhielt. Hier schrieb mir ein verwunderter U.S.-Bürger: “I was very upset and surprised that the people of Magdeburg apparently do not want their church treasure back.“ („Ich war sehr überrascht, dass die Bürger von Magdeburg offensichtlich ihren Kirchenschatz nicht zurück haben wollen“). Das Thema ist längst weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt, selbst tausende Kilometer von unserer Elbestadt entfernt wird es wahrgenommen. Wir bleiben also dran, machen immer weiter, immer weiter, immer weiter, wie im Sport. Wir greifen hierbei auch auf die Erfahrungen der Potsdamer, Dresdner und Leipziger Rekonstruktionsinitiativen zurück, um von diesen zu profitieren und mögliche Fehler zu vermeiden.

Lassen Sie mich einige kurz- bis mittelfristige Ziele des Vereins aufzählen:
Ein Hauptprojekt ist die Etablierung einer Dauer- und/oder Wanderausstellung über die Ulrichskirche, am besten nahe am Ulrichplatz mit herausragenden Exponaten der Kirche, wie originalen Steinen, dem tollen neuen Modell, einer instandgesetzten Turmuhr und noch vielem mehr.
Das Projekt der archäologischen Aufarbeitung der Unterkirche steht ganz oben auf unserer Agenda, die Gespräche mit den Archäologen sind längst geführt, nun brauchen wir Geld, um diese Schritte zu finanzieren. Die Spendensammlung hierfür ist äußerst wichtig.
Nicht zuletzt feiern wir ja heute den Reformationstag 2012, der im Zeichen der Toleranz steht. In Hinblick auf das Reformationsjubiläum 2017 werden wir alles versuchen, bei einer guten Präsentation Magdeburgs in der Lutherdekade 2017 mitzuhelfen. Was könnte Magdeburg besser zu Gesicht stehen, als mit „Unseres Herrgotts Kanzlei“ positive Aufmerksamkeit beim 500jährigen Reformationsjubiläum auf sich zu ziehen…?!

Also meine Damen und Herren, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag! Ein Umstimmen der Magdeburger Bevölkerung ist möglich durch fleißige, zielorientierte Vereinsarbeit. Die genannten Meinungsumfragen der Magdeburger Volksstimme am 16. November 2010 und 5. Dezember 2010 zeigten uns ja bereits auf, dass mehrheitliche Verhältnisse für den Wiederaufbau der Ulrichskirche möglich sind. Der Bürgerentscheid am 20. März 2011 mit seiner verwirrenden, negativen Fragestellung hat ein uns bekanntes anderes Ergebnis erbracht. Wir haben es akzeptiert, sehen es aber nur als Zwischenergebnis an und bleiben leidenschaftlich dran, bis die Magdeburger mehrheitlich ihre Ulrichskirche wieder zurückhaben wollen!