Ulrichskirche
 

 
 

Radiointerview mit Dr. Tobias Köppe im Deutschlandfunk in der Sendung "Kultur heute"

In der Radio-Sendung "Kultur heute" wird Dr. Tobias Köppe, Vorsitzender des Kuratoriums Ulrichskirche e.V., von Christoph Schmitz interviewt. Das Interview kann unter folgendem Link angehört und auch nachgelesen werden:

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Rekonstruktionsstreit in Magdeburg
Warum der Wiederaufbau der Ulrichskirche umstritten ist
Tobias Köppe im Gespräch mit Christoph Schmitz

Als 1547 kaiserliche Truppen die Stadt Wittenberg, das Zentrum der lutherischen Reformation, besetzten, flohen Geistliche nach Magdeburg, das so zum Flucht- und Widerstandsort des neuen Glaubens wurde, und von der Ulrichskirche aus gingen die reformatorischen Streitschriften in die Welt hinaus.

1956 wurde die kriegsbeschädigte Ulrichskirche von der SED gesprengt. Nennenswerten Widerstand gab es unter den Bürgern nicht, weswegen sieben weitere Gotteshäuser in die Luft gejagt wurden. Wie aber kommt es vor diesem Hintergrund dazu, dass eine im DDR-Sozialismus entchristlichte Stadt 20 Jahre nach dem Mauerfall die Ulrichskirche wieder errichten möchte? Dazu Tobias Köppe, Vorsitzender des Wiederaufbauvereins.

Tobias Köppe: Ja, weil Magdeburg jetzt nach 20 Jahren quasi die Infrastruktur wieder geschaffen hat, die Innenstadt ist wiederbelebt worden, sie war quasi durch die DDR-Zeit kaum wiederbebaut worden, man hat sich wieder mit der eigenen Geschichte beschäftigt, man hat seinen Standort in Deutschland neu definiert, und dieses historische Bewusstsein hat wieder Wurzeln gefasst. Deswegen ist das Thema Ulrichskirche, die ja die zentralste Kirche der Altstadt war, jetzt auch wieder in aller Munde.

Schmitz: Der Stadtrat hat den Bauplatz für einen Wiederaufbau der Ulrichskirche reserviert, finanziert werden müsste er durch Spenden, also keine öffentlichen Gelder werden hier hineinfließen. Dennoch gibt es Widerstand in der Bevölkerung, ein Bürgerentscheid, der derzeit läuft, könnte das Projekt verhindern. Wer sind die Gegner des Wiederaufbaus und welche Argumente halten sie Ihnen entgegen?

Köppe: Das sind in der Regel Leute, die die Ulrichskirche nicht mehr kennen, quasi mit der Stadt des Schwermaschinenbaus groß geworden sind, sich an die neuen Räume gewöhnt haben. Es ist ja eine Stadt, die noch in vielen Räumen sozialistisch wirkt. Sie haben sehr viele sanierte Plattenbauten. Diese Menschen, die in diesen Gebäuden wohnen, sind der Meinung - das hat man mir auch immer wieder persönlich gesagt -, dass sie quasi nicht auf eine Kirche gucken wollen, dass die Stadt, so wie sie ist, sich verändert hat, in den Jahren nach der Wende und auch nach dem Krieg natürlich, und dass die Ulrichskirche dort nicht mehr hinpassen würde, vor allen Dingen auch wegen der Grünfläche. Das ist das Hauptargument der Gegner. Allerdings sagen wir immer ganz bewusst, es handelt sich nur um einen sogenannten Grünflächenverlust von 25 Prozent. Der Ulrichplatz in der Mitte der Stadt hat ja 8000 Quadratmeter und nur 2000 Quadratmeter werden von der Ulrichskirche okkupiert, wenn man überhaupt von Okkupation sprechen kann, denn es handelt sich ja um ein Bauwerk, das da über 1000 Jahre stand.

Schmitz: Bis zum 10. September müsste die Anti-Wiederaufbau-Bewegung für ihren Bürgerentscheid 10.000 Magdeburger Bürger zur Unterschrift bewegen. Schaffen sie das und was, wenn der Bürgerentscheid zustande kommt?

Köppe: Sie wissen ja: Von den sechs Wochen nach Stadtratsbeschluss sind jetzt drei um. 10.000 Unterschriften gilt es zu sammeln. Laut Zeitungsmeldungen sind knapp die Hälfte gesammelt worden. Bis 10.9. ist Zeit. Sollten sie es schaffen, gibt es dann laut sachsen-anhaltischer Gesetzgebung drei Monate nach Bürgerbegehren einen Volksentscheid. Dieser Volksentscheid wäre dann quasi terminiert auf Anfang Dezember. Wenn sie es schaffen, dann machen wir halt keine Spenden-Akquise, wie eigentlich vorgesehen, in unserem Förderverein, sondern wir machen Wahlkampf. Aber so weit ist es noch nicht, deswegen sehen wir der Sache entspannt entgegen.

Schmitz: Ist von der 1000 Jahre alten ottonischen Kirche eigentlich noch irgendetwas übrig geblieben, ein Schuttplatz, wo man noch wichtige Bauteile bergen und einbauen könnte, oder muss man alles rekonstruieren?

Köppe: Wir haben eine Unterkirche, die ottonisch ist. Laut Archivunterlagen sind da noch gewölbte Räume, die quasi unter dem zentralsten Platz der Landeshauptstadt Magdeburg schlummern. Ulbricht hat natürlich ganze Arbeit geleistet, er hat die Kirche ebenerdig abtragen lassen. Sie wurde ja in den Türmen gesprengt. Die sollten dann eigentlich auf das Schiff fallen, sind dummerweise kerzengerade in sich zusammengefallen, und dann musste das Schiff noch abgebrochen werden über mehrere Tage, sodass wir vermuten, dass im Osten, da wo die Grüfte sind, keinerlei Beschädigung ist, denn da waren ja keine Sprengladungen. Und wir haben glücklicherweise noch sehr viel Originalmaterial, weil diese Trümmer wurden dann in den Magdeburger Zoo geschafft, um dort Tiergehege zu bauen, die 2007 teilweise wieder abgerissen wurden, und wir haben als Bürgerinitiative bereits 20 Tonnen Original-Ulrichskirchenstein gesichert, und wir kennen noch viele andere Stellen, wo die Steine verbuddelt worden sind.

Schmitz: Wie teuer soll das Ganze eigentlich werden und ist eine solche Summe durch Spenden überhaupt aufzubringen?

Köppe: Wir haben das den Architekten überlassen, das zu berechnen. Die haben berechnet in Originalbauweise eine Bausumme von 30 Millionen Euro, was verglichen mit Dresden - die hatten 180 Millionen Euro - oder Potsdam bei der Garnisonkirche 65 Millionen Euro ja geradezu günstig ist. Natürlich sind wir Realisten, wir wissen, dass dieses Geld sicherlich hier vor Ort oder in Sachsen-Anhalt, in Ostdeutschland schwer zu sammeln ist. Deswegen zielen wir ganz bewusst ab auf die sehr, sehr bedeutende, wir sagen ganz bewusst welthistorische Bedeutung der Ulrichskirche als Verbreiterin der Ideen des Protestantismus.

Schmitz: Zum 500. Jahrestag der Reformation im Oktober 2017 soll das Werk vollendet sein, wenn es nach Ihnen ginge. Sie müssen ja ein großer Optimist sein, oder?

Köppe: Also ich bin sehr sicher, dass die Ulrichskirche an ihren angestammten Platz zurückkommt. Sie stand dort über 1000 Jahre. Die Kirche gehört zu dieser Stadt. Ohne Ulrichskirche ist Magdeburg nicht vollständig.

(Quelle: Deutschlandfunk, Sendung "Kultur heute" vom 25. August 2010)