Ulrichskirche
 

 
 

Reaktionen auf den Kontra-Kommentar von Ute Semkat in der Magdeburger Volksstimme (30.7.)

Die folgende Reaktion auf den Kontra-Kommentar der Journalistin Ute Semkat vom 30. Juli 2010 in der Magdeburger Volksstimme wurde am 2. August 2010 von der Pressestelle der Ratsfraktion der CDU/BfM abgegeben, bisher jedoch nicht von der Presse aufgegriffen. Gleiches gilt für den Kommentar von Architekt Uwe Thal aus Magdeburg. Wir erlauben uns daher die Übernahme auf unserer Seite mit Angabe der Quelle:

Dr. Klaus Kutschmann, Stadtrat der Fraktion CDU/BfM
"Privatfinanzierter Wiederaufbau ist identitätsstiftend und unterstützenwert"

Es ist in der Tat so: An einem möglichen Wiederaufbau der in der Nachkriegszeit gesprengten Ulrichskirche scheiden sich die Geister. Die Meinungen pro oder contra Wiedererrichtung gehen mitunter quer durch die Familien. Allerdings muss zur Klarstellung der Beschlüsse des Stadtrates und zu einer umfassenden Information der Magdeburger die derzeitige Beschlusslage dargestellt werden. So ist der Wiederaufbau an sich noch nicht beschlossen, sondern das Engagement des Kuratoriums für den Wiederaufbau ist begrüßt worden. Nicht mehr aber auch nicht weniger. Neben der Unterstützung durch das Vorhalten des Grundstückes werden durch den Stadtrat u.a. der Nachweis eines tragfähigen Finanzierungskonzeptes sowie der Nachweis eines nachhaltigen Nutzungskonzeptes verlangt. Das ist die derzeitige Beschlusslage. Wir sind der Meinung, dass dieser Einsatz des Kuratoriums für unsere Heimatstadt sinnvoll ist. Die Ulrichskirche sollte unter den vorgegebenen Bedingungen wieder errichtet werden. Dabei geht es uns nicht um einen Vergleich mit anderen Städten, die zerstörte, gesprengte oder abgerissene Gebäude wiedererrichtet haben, sondern es geht uns um die Identität unserer Stadt, um das verlorene Stadtbild. Der Wiederaufbau ist kein Eingriff in eben dieses Stadtbild, denn kann eine Wiedererrichtung eines gesprengten Gebäudes in diesem Sinne ein Eingriff sein? Dabei kommt es darauf an, dass durch eine qualifizierte Gestaltung der Innenstadt, zu der u.a. der Nordabschnitt des Breiten Weges, die Gestaltung der Eisenbahnquerung an der Ernst–Reuter-Allee, die Klärung der Situation am sog. „Blauen Bock“ und die Entwicklung um das ehemalige Krankenhaus Altstadt gehören, eine behutsame Verengung des Zentrums erreicht wird. Die breiten Alleen brauchen wir nicht mehr. Die Zeit der sozialistischen Aufmärsche sind glückerweise vorbei. Magdeburg braucht ein Zentrum! Ein möglicher Nachbau der Ulrichskirche muss sich in ein Ensemble der Innenstadt einpassen. Und das verschiedene Baustile, mitunter auch Bausünden der Vergangenheit, sich in einer Stadt finden lassen, ist keine Seltenheit. Das kann auch nicht anders sein, denn eine Stadt entwickelt sich in Epochen. Die verschiedenen Baustile, auch die mitunter verschiedene Ansichten über Architektur widerspiegeln eine Entwicklung einer Stadt. Ein Magdeburg-Disney wäre wie aus einem Guss. Ein derartiges Stadtbild würde nicht die historische Entwicklung, auch die Baustile verschiedener Zeitalter, widerspiegeln. Leider wurde es versäumt, Erhaltenswertes zu erhalten, wieder aufzubauen oder zu unterhalten. Diese Sünden an den historischen Bauten sind seit der unmittelbaren Nachkriegszeit und im wesentlichen zu DDR-Zeiten bis heute nachweisbar, z.B. verschiedene Kirchen, das alte Stadttheater, das ehemalige Stadtbad, der Kristallpalast usw. Die Prognosen über einen Rückgang der Bevölkerungszahlen lassen sich für unsere Heimatstadt nach dem derzeitigen Trend zu mindestens anzweifeln. Wir sind der Meinung, dass es durchaus gute Chancen für die Landeshauptstadt gibt, diesen Trend umzukehren und die Stadt, die Bevölkerungszahlen und die Ansiedlung produzierenden Gewerbes zu verbessern. Die derzeitige Situation nur zu bejammern, ist wenig hilfreich. Jeder sollte mit Stolz auf  s e i n e  Stadt für uns werben, das positive betonen und die Potenzen unserer Region herausstellen. Dann entsteht keine „Leere“, sondern Leben, Bildung und Streben! Von einer „Pseudo-Kirche“ zu sprechen, ist einigermaßen vermessen. Über die Entwicklung der Konfessionen in einer durch 40 Jahre nachhaltig und staatlich verordneten, atheistisch geprägten Gesellschaft lassen sich heute nur Spekulationen anstellen. Ganz grundsätzlich muss es sehr nachdenklich stimmen, wenn hinsichtlich der Entwicklung unserer 1200-jährigen Stadt immer wieder Bedenken, Zweifel und Kleinmut zum Ausdruck gebracht werden. Diesen Leuten muss man sagen, muss sie fragen: Was hast Du für Deine Stadt getan? Wie trägst Du zu einer prosperierende Stadt bei und wie vertrittst  Du Deine Stadt nach außen, wenn es denn Deine Heimatstadt ist? 

Quelle: <link http: www.cdu-magdeburg.de _blank external-link-new-window externen link in neuem>www.cdu-magdeburg.de/front_content.php

Uwe Thal, Dipl.-Ing. Architekt BDA
"Heilung durch Rekonstruktion? Ein Kommentar"

Die in den letzten Wochen immer mehr ausufernde Diskussion um den Wiederaufbau der Ulrichskirche in Magdeburg lässt das eigentliche Ziel, den Gewinn an Urbanität, die Zeitgerechtigkeit auch in Bezug auf Lebensqualität, immer mehr in den Hintergrund treten. Der Verdacht liegt nahe, dass Veränderungen Angst machen und der sich daraus entwickelnde Unmut für ideologische Zwecke instrumentalisiert werden soll. Da ist es doch einfach, sich an das Hergebrachte zu klammern. Kurzfristiges Denken und Furcht vor Visionen machen uns jedoch kleiner als wir es wirklich verdient haben. Da ist ein Kuratorium angetreten, um eine Kirche wieder zu errichten. Am bauzeitlichen Ort; das Areal ist unbebaut, die Grundmauern schlummern unter einer grünen Wiese. Voraussetzungen also, die wirklich einmalig sind, so einmalig wie der geplante Bau selbst. Wem ist es schon in der neueren Zeit gegeben, eine Kirche bauen zu dürfen? Der Verein verfolgt das sich selbst gegebene Ziel, die letzte architektonische Fassung des Kirchenbaus originalgetreu zu rekonstruieren. Das ist nicht nur mutig, sondern wird natürlich in erster Linie viel Geld kosten. Benötigte Mittel sollen durch Spenden aufgebracht werden. Die Voraussetzungen dafür sind generell nicht schlecht. Hier wird der Verein einfach Engagement an den Tag legen müssen. In der Öffentlichkeit schürt dieses Unterfangen eine Art philanthropisches Misstrauen, so dass aufgeweckte Mitmenschen nicht davon abzuhalten sind, über die Sinnhaftigkeit des avisierten Geldflusses nachzudenken. Bei diesen Gedankenergüssen spielt jedoch das eigentlich geplante Vorhaben an sich mehr oder weniger keine Rolle mehr.

So spart die sich selbst zu einer Mehrheit artikulierte Gegnerschaft nicht mit guten Ratschlägen, wie jenes Geld doch viel besser einzusetzen sei, über das aber - wer will es in dieser Debatte schon wahrhaben - überhaupt noch gar keine Verfügung besteht. Die gutgläubige Öffentlichkeit schwenkt ein und befeuert den Wiederaufbaugedanken mit Gegenentwürfen, denen nichts noch so Absurdes fremd ist. Wenn Bürger sich aufmachen, um eine Idee unter das Volk zu tragen und deren Verwirklichung nicht dem Staat oder der Stadt überlassen wollen, gilt dies offenbar als Störung des „Familienfriedens“. Die Offensive einiger, sofort als Minderheit erkannte Bürger, muss dann per se nur eine Marotte oder schlicht ein eitler Selbstverwirklichungstrip sein. Da kann doch ein jeder Kritiker in bester Schreiberlaune ohne Umschweife souverän dagegenhalten: Kirche aus Legosteinen, Grünfläche mit Skaterbahn. Dieser im wahrsten Sinne des Wortes hausgemachte Blödsinn kennt anscheinend keine Grenzen mehr. Das Sammelsurium der Ideen, welche vielleicht gut gemeint sind, aber dummerweise weit über den Vereinszweck des Kuratoriums hinausgehen, werden dann z.B. auch noch in einem kürzlich veröffentlichten Presseartikel von feuilletonistischen Eingebungen wie „Pseudokirche“ oder „Magdeburg-Disney“ bekrönt, was bestenfalls für einen Bericht aus Entenhausen reicht, aber nicht für einen aus Magdeburg.

Zudem fehlt es offenbar einigen, mit einer noch jungen Demokratie überforderten Zeitgenossen so sehr an Gemeinsinn, dass der freiheitliche Grundgedanke einer Spende ad absurdum geführt wird. Bitte nicht spenden für diesen Quatsch! Die Spenden könnten doch für etwas anderes viel besser verwendet werden. Solch demonstrative Bevormundung verdeutlicht nicht nur die zügellose Respektlosigkeit gegenüber denjenigen, die mit diesem Projekt Verantwortung übernommen haben und eine gute Sache zu vertreten meinen, sondern diffamiert grundsätzlich jeden Spender. Unabhängig davon, das sei noch ergänzend angemerkt, dürfen zweckgebundene Spenden nicht für andere Dinge eingesetzt oder einfach mir nichts, dir nichts umgeschichtet werden, selbst wenn der Einsatzgrund für das Gemeinwohl eine noch größere Bedeutung hätte. Zumindest in dieser Hinsicht ist die geltende Rechtslage in Deutschland mal eindeutig.

Dass nun nicht jeder sofort damit einverstanden ist, dass es möglicherweise auch wirklich gute Gründe gibt, die Wiedererrichtung dieses Bauwerks in Frage zu stellen, umzeichnet das Spektrum der Debatte und sollte eigentlich die sich anbahnenden „Grabenkämpfe“ vermeiden helfen. Der Verein nimmt sich im vorliegenden Falle zunächst lediglich das Recht heraus zu werben, nicht mehr. Es kann jedoch nicht sein, dass in einer einzigartigen Mischung aus Empörung und Halbwahrheiten ausgerechnet ein an sich karitatives Anliegen mit vermeintlich heroischem Eifer niedergetreten wird, nur weil ein Antrag des Oberbürgermeisters im Stadtrat nicht die erhoffte Mehrheit erlangte. Die Gleichstellung zur Erlangung einer Entscheidung, das sei allen ins Stammbuch geschrieben, war zu jeder Zeit gewahrt. Vielleicht hätte ein Aufbäumen der so genannten „Gegner“ schon im Vorfeld der jetzt als Affront empfundenen Stadtratssitzung die den gewählten und das Vorhaben unterstützenden Volksvertretern heute unterstellte „Allmachtsfantasie“ relativiert, sie vielleicht sogar unterbunden. Das hemmungslose Nachtreten der sich nach der Entscheidung plötzlich selbst als „Verlierer“ ausgemachten Bürger verdeutlicht das bisher ungeahnte Ausmaß substanzieller Verirrungen in einer Auseinandersetzung, die doch eigentlich um die Sache selbst geführt werden sollte.

Im Grunde haben wir alle doch nichts zu verlieren. Wie berechtigt, wie sinnstiftend und wie werthaltig der Wiederaufbau versunkener und erst recht mutwillig zerstörter Gebäude sein kann, hat uns nicht nur die Vergangenheit sondern auch die Gegenwart gezeigt. Mit großem Aufwand werden in Deutschland historische Gebäude oder Anlagen saniert, gar wieder originalgetreu rekonstruiert. So auch in Magdeburg. Niemand nimmt Anstoß daran, jeder begreift diese Form der „Reanimation“ als wertvolles, beinahe alltägliches Element städtebaulicher Entwicklungen. Was ist das dagegen für eine Lösung, wenn man wie in Staßfurt - im Zusammenhang mit der IBA 2010 - statt auf Wiederaufbau auf einen Tümpel in der Stadtmitte setzt oder wenn man wie in Halberstadt die "Leere" feiert. Wer solches für Magdeburg - sprich: Grünfläche - fordert, versteht von der großartigen Geschichte dieser Stadt rein gar nichts. Und wer mit einer Kirche nichts mehr anzufangen weiß, sondern lediglich eine "sehr überzeugende Nutzungsidee" abverlangt, dem ist die spirituelle Sinngebung eines solchen Bauwerks abhanden gekommen.

Die Wiedererrichtung der Ulrichskirche darf nicht als Heilung, sondern muss als Chance begriffen werden. Entgegen der publikumsfernen Meinung von neunmalklugen Journalisten und Planern sind es Magdeburger Bürger, welche sich mehr und mehr dem Gedanken der Wiedererrichtung zuwenden, die sich intensiv mit den angebotenen Inhalten auseinandersetzen und letztlich auch ihre eigene Geschichte neu erleben. Warum sollen wir uns eigentlich die gute Laune verderben lassen, wenn wir am Ende alle gewinnen können? Gilt es auch das Kartell der ewig Gestrigen zu durchbrechen, womöglich auch unser Urteilsvermögen zu schärfen; ein wenig Gelassenheit und Toleranz wird uns in der weiteren Diskussion sicherlich allemal gut tun.