Ulrichskirche
 

 
 

Ausführliches Interview mit Dr. Köppe in der Magdeburger Volksstimme

<link typo3 sysext rtehtmlarea mod4>

Nachdem SPD-Stadtrat Olaf Czogalla sich kürzlich grundsätzlich positiv zu einem Wiederaufbau der gesprengten Ulrichskirche geäußert hatte, nannte in der Vorwoche Oberbürgermeister Lutz Trümper einen Bürgerentscheid als einen gangbaren Weg. Karl-Heinz Kaiser sprach darüber mit dem Vorsitzenden des Kuratoriums für den Wiederaufbau, dem Mediziner Dr. Tobias Köppe.
Volksstimme: Was sagen Sie zu dem Vorstoß des OB, einen Bürgerentscheid herbeizuführen?
Tobias Köppe: Das Kuratorium Ulrichskirche e. V. freut sich sehr, dass die Arbeit der vergangenen 29 Monate seit Vereinsgründung offensichtlich sehr erfolgreich war und der Oberbürgermeister unsere Bürgerinitiative nun mit einer klaren Aussage zumindest begleiten will. Ganz grundsätzlich klingt die Idee, die Menschen einer Stadt direkt an wichtigen Entscheidungen für ihre Stadt zu beteiligen, verführerisch. Allerdings besteht die Versammlung aus gewählten Volksvertretern. Dementsprechend spiegelt sich die Meinung der Magdeburger im Stadtrat wider. Wir würden es jedoch sehr begrüßen, wenn sich zunächst der Stadtrat und seine Ausschüsse intensiv mit dem komplexen Thema des Wiederaufbaus der Ulrichskirche und ihrer Nutzung beschäftigen und sich dazu mit ihren Wählern besprechen würde. Sollte dann der Bedarf eines Bürgerentscheids deutlich werden, sollte er denn auch stattfinden.  
Volksstimme Aber es ist ein profilbestimmendes Vorhaben für die Stadt und ihre Mitte. Warum also nicht die Bürger befragen?
Tobias Köppe: Da ist grundsätzlich auch nichts einzuwenden. Aber der Gedanke, den ersten Bürgerentscheid der Landeshauptstadt am Projekt Wiederaufbau Ulrichskirche zu erproben und das noch in diesem Jahr, irritiert uns natürlich trotzdem. Dem Verein fehlen schlicht die Möglichkeiten für einen „Wahlkampf“ mit entsprechend intensiver Informationskampagne. Auch unter diesem Aspekt wünscht sich das Kuratorium zunächst die Debatte im Stadtrat.
Volksstimme: Ihr Kuratorium hat am Sonnabend einen neuen Vorstand gewählt. Sicher spielte der OB-Vorstoß zum Bürgerentscheid eine Rolle?
Tobias Köppe: Er stand im Brennpunkt der Diskussionen. Natürlich fragen sich alle Vereinsmitglieder, ob der Vorstoß Trümpers politisches Kalkül ist, ob er die generell spärliche Wahlbeteiligung vor Augen hat und darauf spekuliert, dass ein Bürgerentscheid an mangelnder Teilnahme scheitern würde oder sich die Mehrheiten bei geringer Beteiligung kontra Ulrichskirchenbau formieren. Doch warum sollte Trümper etwas gegen den Bau der Kirche haben? Von der Stadt will der Verein kein Geld – weder für den Bau noch für dessen Bewirtschaftung. Für den Bau wer den Spenden und Fördermittel verwendet, für die Bewirtschaftung werden langfristig Mittel investiert, aus deren Renditen der jährliche Unterhalt bestritten wird. Das Kuratorium will mit seinem Vorhaben den Magdebur   gern ihre Ulrichskirche zurückgeben und mit ihr eine aktive Erinnerung an die Zerstörung der Stadt durch Krieg und Ideologie aufrechterhalten, vor allem auch für kommende Generationen.
Volksstimme: In anderen Städten gab und gibt es etwa gleichartige Aktivitäten. Dort gab es auch nicht gleich Zustimmung. In anderen Fällen, so bei der Potsdamer Garnisonkirche, gibt es Konsens mit der Verwaltung.
Tobias Köppe: So ist es. Aber wir wissen von allen Wiederaufbauinitiativen in Deutschland, dass die Aktivitäten und Projekte jeweils kontrovers diskutiert wurden. Auch in Magdeburg waren schließlich die Wiederherstellung der Johanniskirche oder der Bau des Hundertwasserhauses sehr stark in der Kritik. Die Meinungen damals ähneln denen zur Ulrichskirche aufs Haar. Die Frauenkirche hatte anfangs nicht mal 10 Prozent Befürworter in Dresden – ein Bürgerentscheid hätte den Bau verhindert. Heute ist die Frauenkirche und der mit ihr wiedererstandene Neumarkt Touristenmagnet und spült Geld in die Stadtkassen. In Potsdam ist der Wiederaufbau der Garnisonkirche nach langen Jahren privater Initiativen sogar zur Sache von Stadt, Land und Kirche gemacht worden. Ministerpräsident Platzeck, Bundespräsident Köhler und Bischof Huber sind Schirmherren, gerade gab es 2 Millionen Euro aus den wiederentdeckten Mitteln der Parteien und Massenorganisationen der DDR. Beim Stadtschloss Berlin hat die Auseinandersetzung der Stadt mit ihrer historischen Mitte letztlich den Ausschlag gegeben. Dazu hatten sich zwei Fördervereine gegründet. In all diesen Städten standen am Anfang Visionen gegen Misstrauen und Ablehnung. Nie aber haben die Städte die Entwicklungen durch Entscheidungen auf irgendeiner Ebene ernsthaft blockiert, und immer setzten sich die Projekte durch.
Volksstimme: Sie hatten die Garnisonkirche als Beispiel genannt, wo es einen Finanzierungsbeitrag aus den Mitteln der Parteien und Massenorganisationen der DDR gab. Glauben Sie, dass auch das Projekt Ulrichskirche so gefördert werden kann?
Tobias Köppe: In Magdeburg wurden, wie in keiner anderen ostdeutschen Stadt, kulturhistorisch bedeutende Kirchen gesprengt und abgetragen, die der Krieg nur beschädigt hatte – insgesamt waren es acht Pfarrkirchen und zwei säkularisierte Kirchenbauten, davon sechs mittelalterliche Kirchen aus dem 11.-13. Jahrhundert. Die Kirchen wurden in den Jahren 1951-1966 vernichtet. Alle Kirchen waren von Brandbomben getroffen, also ausgebrannt, alle hätten erhalten und wieder aufgebaut werden können. Ihr Verschwinden war   eindeutig ideologisch motiviert. Das allein gibt uns die Gewissheit, aus Mitteln der Parteien und Massenorganisationen der DDR gefördert zu werden.
Volksstimme: Der Neubau der Ulrichskirche bis 2017 wird ca. 30 Millionen Euro kosten. Haben Sie schon Geld gesammelt?
Tobias Köppe: Seitdem der Verein im Oktober 2008 die Gemeinnützigkeit zugesprochen bekam, gehen viele Kleinspenden ein. Eine Familienstiftung spendete 10 000 Euro. Wir haben aber erst einmal versucht, Geld im großen Stil einzuwerben, so als dem Land Sachsen-Anhalt Mittel aus dem Vermögen der Parteien und Massenorganisationen der DDR zugesprochen wurden. Hintergrund ist, dass wir an große Stiftungen, Firmen und Priva   tiers ohne eine grundlegend positive Aussage der Stadt nicht herantreten wollten. Seit dem 1. Februar arbeitet „Die Spendenagentur“ aus Dresden für das Kuratorium. Das Einwerben von Geldern auf überregionaler, nationaler und internationaler Ebene steht jetzt auf der Agenda.