Claus Ruhe Madsen über den Brand der Kopenhagener Börse
„Zu einem Wiederaufbau kann es keine zwei Meinungen geben“
"Auf Bildern sah man Leute, die weinten, als sei ein Familienmitglied gestorben.
Jeder Däne kennt die Börse, sie ist ein nationaler Schatz. Wenn man in Kopenhagen ist, kommt man nicht drumherum, weil sie mittendrin steht, direkt neben dem Parlament und unweit des Königsschlosses. Das ist in etwa so, als wenn etwas Ähnliches mit dem Brandenburger Tor geschehen würde. Die Börse steht für 400 Jahre dänische Wirtschaft. Und sie hat diesen ikonischen, einzigartigen Turm mit den Drachen, deren Schwänze sich zur Turmspitze hin miteinander verdrehen. Den fand ich schon als Kind spannend.
Wird die Börse Ihrer Meinung nach wiederaufgebaut werden? Wird das ein Prestigeprojekt wie in Frankreich die Neuerrichtung der Kathedrale von Notre-Dame werden?
Sie werden es nicht glauben, ich habe gerade in einer Sonntagszeitung einen großen Bericht über den Wiederaufbau von Notre-Dame gelesen und war überrascht, wie schnell das gelungen ist. Und jetzt sitze ich hier zwei Tage später und sehe den Brand in Kopenhagen. Zu einem Wiederaufbau kann es gar keine zwei Meinungen geben. Zwar bin ich nicht der Stadtarchitekt von Kopenhagen und die Dänen sind diesbezüglich manchmal sehr mutig und gehen besondere Wege. Aber die Börse ist meiner Meinung nach zu ikonisch, um sie nicht genauso wieder herzurichten."
Moritz Küpper
Börse in Kopenhagen
Warum ikonische Gebäude für Menschen wichtig sind
"Ältere Gebäude wie die Börse in Kopenhagen sind für die Bevölkerung wichtig, sagt Ex-Dombaumeisterin Schock-Werner. Die Umgebung, in der wir leben, werde immer einheitlicher. D.h. die modernen Büro- und Wohngebäude in Dänemark und Deutschland und darüber hinaus ähneln sich. Deshalb wirken historische, ikonische Bauten für die Menschen identitätsstiftend. Sie schaffen durch ihr besonderes Aussehen Identität. Wenn ich Notre-Dame sehe, weiß ich dass ich in Paris bin, wenn die Kopenhagener ihre Börse sehen, wissen sie, dass sie in Kopenhagen sind, wenn die Kölner ihren Dom sehen, wissen sie, dass sie in Köln sind, und das geht auch in die kleinen Städte hinein. In Paris sagten viele zum Brand von Notre-Dame: 'Als ob ein Teil meiner Familie gestorben ist.' Denn nur über solche Gebäude identifizieren sich die Menschem mit ihrer Gemeinde und sind dann auch bereit, sich als Bürger zu engagieren. Solche Gebäude schaffen Bürger von Städten und von Ländern. Deshalb sind sie so wichtig und deshalb hängen die Menschen so daran."